Sind beeindruckende Architektur und Vorfertigung unvereinbar?
Neubauer
Dem ist nicht so! Fertigteilbau heißt nicht, dass keine Individualisierung möglich ist. Auch hier stecken die Möglichkeiten in der Kooperation zwischen Architekten und Bauingenieuren. Wenn sie enger zusammenarbeiten würden, könnten sie aus parametrischen Modellen wunderschöne Gebäude machen. Es gibt Beispiele dafür, die in Richtung Nachhaltigkeit, Flächenversiegelung und schnelles und qualitatives Bauen optimiert sind, herausragende Projekte, bei denen die Menschen zusammenarbeiten und der Bauingenieur sagt: "Ich brauche diese Limits", und der Architekt definiert sich dadurch, dass er aus diesen Limits ein großartiges Gebäude baut. Wenn man jedoch den mittleren europäischen Baumarkt betrachtet, wo sich der Architekt durch großartige Formen definiert und dann sagt: "Mir ist das egal, solange ich den Wettbewerb gewonnen habe. Jetzt schaut ihr mal, wie ihr das baut“, wird es etwas schwieriger. Deshalb sehe ich die architektonische Freiheit auch im Zusammenhang mit der Zusammenarbeit, mit dem Bau-System, um nachhaltiger und effizienter zu bauen.
Maier
Ich sehe das aus zwei Perspektiven. Wenn ich von architektonischer Freiheit spreche, dann ist das ja schön und gut. Aber wenn ich bezahlbaren Wohnraum schaffen will, dann muss ich in eine andere Richtung gehen, wie es die Automobilindustrie heute schon tut. Mit einem Konfigurator und einer begrenzten Auswahl an Komponenten, kann ich meine Kosten senken. Heute werden jedoch alle Einfamilienhäuser und jeder Wunsch neu gezeichnet, was den Prozess sehr aufwendig und komplex macht. Ich schlage vor, dass wir standardisierte Komponenten und Module verwenden, um Kosten zu senken und Effizienz zu steigern. Ich glaube, dass dies die Zukunft des Fertigteilmarktes sein wird und dass modulare Fertigteilkomponenten stärker eingesetzt werden, anstatt komplett architektonische Freiheiten zu ermöglichen.
Neubauer
Ich denke nicht, dass wir uns zu 100% auf Fertigteile konzentrieren müssen. Es gibt auch einen hybriden Weg, bei dem wir eine Tragstruktur und Fassaden aus Fertigteilen verwenden können, aber dennoch architektonische Freiheit für besondere Elemente im Gebäude lassen. Automatisierung ermöglicht auch eine hohe Individualisierung des Wohnraums. Wo Steckdosen oder Küchen eingebaut werden, ist komplett flexibel und zwar völlig ohne Mehraufwand. Vor 15 bis 20 Jahren wurde in Wien ein Beispiel für sozialen Wohnungsbau geschaffen, der optisch ansprechend war und dessen Optimierungen standardisiert und industrialisiert waren. Dennoch konnten die Käufer entscheiden, wie der Innenraum gestaltet wurde. Entscheidend ist, sich darauf zu konzentrieren, welche Teile parametrierbar sind und welche nicht, um die Kosten niedrig zu halten. Und wenn der 3D-Druck besser wird? Dann können wir auch noch schönere Teile fertigen. Ich möchte nicht ausschließen, dass wir in Zukunft auch Badezimmerausstattungen in irgendeiner Form 3D drucken, die nicht einfach eckig ist. Sowas ist technisch machbar, es sieht nur jetzt noch nicht so hübsch aus.