Was fehlt der Bauindustrie nun, um diese flexible Nutzung von Gebäuden zu ermöglichen?
Neubauer
Digitalisierung ist hier mit Sicherheit das Schlüsselwort. Ich glaube, wir haben die Mittel und auch die entsprechenden Software-Lösungen, um eine Digitalisierung von der ersten Idee eines Bauwerks bis hin zum Abriss oder Umbau zu realisieren. Jetzt geht es darum, die Stakeholder, die daran arbeiten, auch mental zu integrieren. Wir haben zwar die Software-Silos abgeschafft, aber es gibt immer noch Gedankensilos. Wir haben die Sichtweise des Architekten, des Statikers, des Bauingenieurs, des Real Estate Developers, der sich hauptsächlich um die Kosten kümmert, und die Bedürfnisse der Nutzer, die eine bestimmte Zweckbestimmung haben. Diese Ideen alle zusammenzubringen ist gar nicht so einfach. Meiner Meinung nach müssen wir sehr stark in die Ausbildung investieren, denn selbst auf der Universität sind Architekten und Ingenieure in getrennten Studiengängen, und das sollten wir ändern. Wir müssen daran arbeiten, dass man einander versteht und auch Kompromisse schließen kann. Die besten Kompromisse lassen sich durch digitale Modelle im 6D BIM darstellen und durchführen.
Maier
Das Modell muss immer an erster Stelle stehen. Ein gutes Modell beginnt in der Architektur und wird bis zum Facility Management verwendet. Es gibt heute noch viele Barrieren, die überwunden werden müssen, denn nicht alle Systeme sprechen die gleiche Sprache, daher ist es essenziell, hier weiterzuarbeiten. Heute erkennen viele Bauausführende den Mehrwert von Gebäudemodellen bei Planung und Ausführung noch nicht. Oft weiß man nach 30 Jahren nicht mehr, wie ein Gebäude geplant wurde und kann es nicht kosteneffizient umbauen, weil die statischen Rahmenbedingungen fehlen. Wenn ich das digital archiviere, fällt mir in Zukunft das Umbauen und Neu-Beleben von Gebäuden viel leichter. Leider fehlen die strukturellen und politischen Vorgaben, um das zu realisieren, die Politik ist hier gefordert, diese Modelle zu archivieren. Es gibt sehr viele digitale Lösungen, doch viele Anbieter kochen ihre eigene Suppe, und es ist schwierig, die Übergänge zu strukturieren. Wir haben versucht, mit IFC4 Precast einen Weg zu finden, um strukturierte Übergaben zu ermöglichen. Die Herausforderung liegt in der praktischen Umsetzung, weil alte Strukturen immer noch funktionieren und die Standardisierung keinen unmittelbaren Mehrwert bietet, sondern eine Investition in die Zukunft darstellt. Hier liegt die Hoffnung in der Zusammenarbeit aller Anbieter von Software-Systemen, Verbänden und Arbeitskreisen.
Neubauer
In der Realität sehe ich Politik und Verbände als Treiber der kollaborativen Zusammenarbeit in Europa. Es gibt nicht ausreichend Anreiz für Architekten und Bauingenieure zusammenzuarbeiten, weil keiner dafür bezahlt wird. Der Wert des Modells muss erhöht werden. Ein Beispiel dafür wäre, dass, ähnlich wie von der Construction Authority in Singapur, gesagt wird: "Ich verlange, dass dieses 3D-Modell gepflegt wird". Sobald das 3D-Modell vorhanden ist, kann man gut zusammenarbeiten. Wir müssen auch das Lifecycle Analysis-Tool zurück in das Modell integrieren. Die Möglichkeiten sind vorhanden, aber niemand bietet Anreize, es wird kein Geld dafür ausgegeben oder investiert. Man versucht einfach, billig zu bauen, ohne zu bedenken, dass am Ende des Lebenszyklus eine teure Analyse durchgeführt werden muss. Technisch sind die Möglichkeiten vorhanden, aber es muss noch mehr in diese Richtung investiert werden, sowohl politisch als auch von Verbänden.